Whiteman, C. David: Mountain Meteorology – Fundamentals and Applications. Oxford, Oxford University Press, 2000, 355 S., 220 meistens farbige Abbildungen, 31 Tabellen, ISBN 0-19-513271-8
Die Gebirgsmeteorologie ist ein raumbezogenes Teilgebiet der Meteorologie. Es hat sowohl Grundlagencharakter, ist aber auch anwendungsorientiert. Der Grundlagencharakter ist dadurch begründet, dass Zustände und Prozesse in der Atmosphäre, die im allgemeinen für horizontal homogene Landschaftsbedingungen betrachtet werden, durch ausgeprägte Reliefeinflüsse, wie sie z.B. für Gebirge typisch sind, nachhaltig in Raum und Zeit modifiziert werden. Die Anwendungen von Kenntnissen über die Gebirgsmeteorologie sind vielschichtig. Sie reichen von verbesserter Wettervorhersage, Rahmenbedingung für Erholung von Menschen, Ausbreitung von Stoffen in inhomogenem Gelände, meteorologischer Prognose von Waldbrandgefährdung, schneephysikalischen Prozessen und unterschiedlichen hydrometeorologischen Fragestellungen bis zur Ausbildung von differierenden Standortsklimaten für Vegetationsformen.
Ausgangspunkt für das Lehrbuch „Mountain Meteorology“ von C. David Whiteman, einem ausgewiesenen Experten in der Gebirgsmeteorologie am US Pacific Northwest National Laboratory, waren spezifische Bedürfnisse von drei Regierungseinrichtungen der USA (USDA Forest Service, National Weather Service und U.S. Army). Daraus ist ein Lehrbuch entstanden, das eine geglückte Verbindung zwischen Grundlagen und Anwendungen der Gebirgsmeteorologie darstellt.
„Mountain Meteorology“ ist in vier größere Abschnitte von unterschiedlicher Länge unterteilt, die sich aus einer differierenden Anzahl von Kapiteln zusammensetzen. Daran schließt sich das Literaturverzeichnis an, das allerdings kaum Arbeiten über europäische Gebirgen, wie z.B. die Alpen, enthält, was aber aufgrund der Entstehungsgeschichte des Buches verständlich ist.
Auf das Literaturverzeichnis folgt ein interessanter Anhang, der den Text zweckmäßig ergänzt. Er enthält Grundlagenformeln zur Luftfeuchtigkeit und Wolkenphysik, die ideale Gasgleichung, einen Windchill-Ansatz und das vertikale Windprofil. Zusätzlich sind ein Auszug aus der Psychrometer-Tabelle, ein Verzeichnis von physikalischen Einheiten und räumlich/zeitliche Umrechnungsfaktoren angegeben. Sehr nützlich ist auch das detaillierte FORTRAN-Programm zur Berechnung der direkten Sonnenstrahlung auf Hänge. Daran schließen sich weitere Literaturhinweise und Tabellen mit meteorologischen Abkürzungen an. Das darauf folgende 15 Seiten umfassende Glossary ist so angelegt, dass auch Laien mit meteorologischen Begriffen leicht vertraut werden.
Der erste große Abschnitt ist mit Gebirgsklima überschrieben. Hier werden im ersten Kapitel vier Faktoren zusammengestellt, die das Klima bestimmen, nämlich geographische Breite, Seehöhe, Kontinentalität und regionale Zirkulationen. Im zweiten Kapitel sind verschiedene Gebirgsklimate in Nordamerika beschrieben, u.a. mit den Rocky Mountains und Appalachians.
Der zweite große Abschnitt enthält eine Einführung in Zustände und Prozesse der Atmosphäre, die für die Gebirgsmeteorologie relevant sind. Sie beziehen sich auf Skalen von Bewegungsvorgängen, Zusammensetzung der Atmosphäre, Struktur und Kennzeichen der atmosphärischen Grenzschicht, Luftdruck und Wind, Luftmassen und Fronten, Wolken und Nebel, Niederschlag, Wetterkarten und Wettervorhersage.
Ein eigener großer Abschnitt, der dritte in diesem Buch, ist aufgrund ihrer spezifischen Bedeutung den Gebirgswinden gewidmet. Hier unterscheidet der Autor zwischen Strömungen, die durch das Gelände bedingt bzw. modifiziert werden, und Strömungen, die eine Tagesperiodizität aufweisen, wie z.B. Berg-Tal-Winde oder Kaltluftabflüsse.
Der vierte und letzte große Abschnitt beschäftigt sich mit ausgewählten Anwendungen der Gebirgsmeteorologie. Sie beziehen sich auf die Ausbreitung von Stoffen in reliefbetontem Gelände, Wetterbedingungen vor und bei Brand von Vegetationsformen (u.a. Wald oder Grasland) sowie luftgetragene Abgabe von Stoffen (z.B. Düngung von Wäldern mit Flugzeugen).
„Mountain Meteorology“ ist ein didaktisch hervorragend aufgebautes, aktuelles Lehrbuch. Der Text ist klar gegliedert und gut lesbar. Er wird durch zahlreiche übersichtliche Abbildungen systematisch ergänzt. Sie sind meistens farbig, wodurch sie ihre Inhalte sehr anschaulich vermitteln. Notwendige Zahlenwerte sind in Tabellen zusammengefasst. Vor dem Hintergrund des Ursprungs dieses Lehrbuchs ist es verständlich, dass sich fast alle Abbildungen auf Regionen in Nordamerika beziehen. Vereinzelt werden sie durch Hinweise auf andere Regionen der Erde ergänzt.
„Mountain Meteorology“ ist primär ein Lehrbuch für Anwendungen von gebirgsmeteorologischen Phänomenen und Prozessen. Damit ist auch die Forstwirtschaft angesprochen, weil Waldstandorte u.a. im reliefbetonten Gelände liegen, in dem sich komplexe mikro- und mesoskalige Standortklimate ausbilden. Ihre Entstehung und Kennzeichen lassen sich über dieses Lehrbuch begründet nachvollziehen.
Für die anwendungsorientierte Berücksichtigung von gebirgsmeteorologischen Phänomenen und Prozessen ist die Kenntnis von ausgewählten meteorologischen Grundlagen erforderlich. Sie sind in diesem Lehrbuch in geeigneter Form zusammengestellt. Dabei wird, bis auf den Anhang, weitgehend auf physikalische Formeln verzichtet. Wer sich vertiefend mit der physikalischen Modellierung gebirgsmeteorologischer Zustände und Prozesse beschäftigen möchte, muss daher eine andere Literatur mit mehr physikalischem Inhalt verwenden.
Insgesamt kann auf „Mountain Meteorology“ von C. David Whiteman nicht verzichtet werden, weil es derzeit kaum ein anderes Lehrbuch gibt, das die Gebirgsmeteorologie so beeindruckend in Text und Abbildungen beschreibt. Daher wird dieses Lehrbuch für das Studium aller Fragestellungen, die sich mit der Gebirgsmeteorologie beschäftigen, uneingeschränkt empfohlen.
Helmut Mayer, Freiburg